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Design-Science

Es gibt gegenwärtig vor allem zwei grassierende Arten der praktischen Unkenntnis, welche es den Menschen erschweren, sich in der Welt zurechtzufinden: zum einen jene der visuellen Kognition, zum anderen jene der formalen Konzeptualisierung. Beide Formen der Unkenntnis verringern die Fähigkeiten zur lebensräumlichen Erfassung der Umwelt ganz entscheidend. Nur das Verständnis der Randbedingungen, welche durch die Struktur des erfahrbaren, sozialen Raumes vorgegeben werden, und des reichen Repertoires von Verhaltensmöglichkeiten im Rahmen dieser Randbedingungen ermöglicht ein angemessenes Verhalten im professionellen ebenso wie im gewöhnlichen Alltag. Nur eine solche Einsicht in die Zusammenhänge des organisierten Raumes ermöglicht mithin Ethik: So wie eine Grammatik der Musik aus Harmonie, Kontrapunkt und Form besteht, welche die Struktur einer Komposition beschreiben, so besitzen die räumlichen Strukturen, ob sie nun kristallin sind, architektonisch oder choreographisch organisiert, ihre Grammatik, die aus Parametern wie Symmetrie, Proportion, Konnektivität, Valenz und Stabilität besteht. Der Raum ist mithin kein passives Vakuum oder leere Abstraktion; er besitzt vielmehr als von Menschen produzierter aktive Eigenschaften, welche die Strukturen, die ihn bewohnen, einschränken oder verstärken.

 

Das in den USA seit einiger Zeit etablierte und vor allem auf Buckminster Fuller zurückgehende Fachgebiet Design Science (Gestaltungswissenschaft) umfasst die Thematisierung dieser Grammatik im weitesten Sinne und behandelt jene quantitativen und qualitativen Parameter, die allen räumlichen Strukturen gemeinsam sind. Zwei Begriffe müssen in diesem Zusammenhang genauer expliziert werden: der Raumbegriff und der Harmoniebegriff. Denn das praktische Beherrschen der dem Lebensraum unterliegenden Grammatik impliziert in erster Linie (zunächst einmal ganz intuitiv) einen ausgeglichenen Lebensstil, welcher als harmonisch bezeichnet werden kann. Der Begriff der Harmonie bezieht sich hierbei auf eine komplexe Vielfalt zumeist geometrischer Formen. Im Grunde kann man also eine solche Annäherung an den Raum als formale Harmonik bezeichnen, weil sie zum einen formale Hilfsmittel heranzieht, von der formalen Logik über die Kombinatorik, bis hin zur Topologie, Geometrie und Physik, weil sie aber zum anderen auch die hermeneutisch verfassten, vor allem also qualitativen und intuitiven Aspekte der Harmonie untersucht. Somit gibt es hierbei zunächst zwei Dimensionen, die hinsichtlich ihrer Methode und Systematik in verschiedene Fachbereiche führen und die zugleich auch eine historische Perspektive eröffnen: Auf der einen Seite gibt es die Bereiche der mathematischen (überwiegend algorithmisch gefassten) Modellierung, inzwischen wichtig für alle Wissenschaften gleichermaßen, auf der anderen Seite gibt es die Bereiche der kreativen (überwiegend auf eine abduktive Logik gestützte) Gestaltung. Schließlich gibt es darüber hinaus noch des weiteren die Bereiche des konkreten, praktischen Verhaltens.

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